Was ist Poetry Slam?
Poetry Slam ist weder eine Literaturgattung noch eine spezifische Form der Unterhaltungskunst. Poetry Slam ist zunächst einmal ein Veranstaltungsformat bei dem mehrere sogenannte ‚Poetry Slammer‘ gegeneinander antreten. Sie stellen sich auf die Bühne und tragen ihre Gedichte vor. Daher werden Poetry Slam nicht geschrieben, sie werden veranstaltet. Geschrieben werden immer noch die Poetry Slam Texte, die man dort vorträgt.
Die Grundregeln
Die Grundlagen oder Regeln, nach denen Poetry Slam funktioniert, sind schnell erklärt:
- Eine Reihe von Menschen tragen selbst verfasste Texte vor Publikum vor.
- Die Vorträge dürfen abgesehen von den Texten in schriftlicher Form keinerlei Hilfsmittel enthalten.
- Es gilt ein Zeitlimit, das zumindest im deutschsprachigen Raum zwischen fünf und sieben Minuten beträgt.
- Das Publikum stimmt ab welcher Vortrag ihnen am besten gefallen hat und der Slammer mit den meisten stimmen gewinnt.
- In der Regel gibt es einen Moderator, der durch den Abend führt, die Regeln erklärt und deren Einhaltung gewährleistet.
Viel Spielraum beim Format
Alles, was darüber hinausgeht, ist dem Gutdünken eben dieses Moderators oder Veranstalters überlassen. Wie viele Slam Poeten auftreten, wie oft sie antreten, ob in einer Vorrunde und einem Finale oder in einer zusätzlichen Zwischenrunde, ob eine spontan ausgewählte Jury die Texte nach Punkten bewertet oder ob das gesamte Publikum möglichst demokratisch mitbestimmt – all das kann je nach Zeit, Ort und weiteren Umständen sowie nach den persönlichen Vorlieben der Veranstalter variieren.
Kaum Grenzen beim Inhalt der Poetry Slam Texte
Dem, was auf der Bühne passiert, sind entsprechend nur geringfügige Grenzen gesetzt. Das gilt sowohl inhaltlich als auch formal. Politisches Kabarett und philosophische Monologe wechseln sich mit Lobeshymnen auf Thunfischpizza und Feuerwerken der Absurdität ab. Texte über Angst, Trauer und Verzweiflung stehen neben Vorträgen, die kollektive Lachanfälle auslösen. Minimalistische Prosa kann auf stilistisch oder assoziativ stark durchkomponierte Lyrik folgen und wiederum Platz machen für dadaistische Geräuschexperimente. Es geht zuweilen die Sage von einem Mann umher, der sich der exakten akustischen Nachstellung von Oralverkehr auf Poetry Slam-Bühnen verschrieben hat.
Ein Slam, viele inhaltliche Facetten
All das kann in fünf bis sieben Minuten passieren, während in den nächsten fünf bis sieben Minuten wieder etwas völlig anderes passiert. Gerade eine solche Mischung ist eine Grundvoraussetzung für einen guten Poetry Slam: Man weiß nie, was auf einen zukommt. Weitere Voraussetzungen sind ein demgegenüber aufgeschlossenes Publikum und Slam-Poeten, die sich nicht unbedingt zum Sieg, wohl aber dem Gelingen der gesamten Veranstaltung gegenüber verpflichtet fühlen.
Warum Poetry Slam rockt
Die besondere Energie, die ein Poetry Slam freisetzen kann, entsteht aus dem nicht ganz ernstzunehmenden Wettbewerbscharakter der Veranstaltung und dem Zeitlimit. Der Slammer hat nur wenige Minuten, um das Publikum zu erreichen und zu überzeugen. In den Vorträgen steckt entsprechend viel Energie und Mühe. Das Publikum muss direkt im Anschluss ein Feedback dazu geben, ist gleichsam dazu genötigt, sich mit den Texten auseinanderzusetzen. Dieses dramatische Auf und Ab, das rauf-, runter- und hochkochen von Emotionen, das Mitfiebern und das Bangen um die nächste Überraschung können eine Atmosphäre bewirken, die eher an ein Rockkonzert erinnert als an eine Literaturveranstaltung oder was immer das sein mag…
Poesie auf den Punkt gebracht
Das ist die Form, auf die sich Slam-Poeten besonders gut verstehen: Kurze, stilistisch durchgeformte Texte, die häufig so sehr mit Pointen, Stilmitteln und Assoziationen überladen sind, dass man sie mehrfach anhören oder lesen muss, bis man sie in ihrer ganzen Pracht verarbeitet hat. Slam-Poeten sind keine Marathonläufer. Sie sind Sprinter.
Ein Wettstreit ohne Streit…
Dabei darf man als Außenstehender vor allem den Wettkampfcharakter der Veranstaltung nicht überbewerten. Offenes Konkurrenzdenken ist unter Slam-Poeten verpönt. Das Bewertungselement soll vielmehr die Zuschauer zur tieferen Auseinandersetzung mit den Texten einladen. Die Slam-Poeten können wiederum einschätzen, ob und wie sie ihr Publikum überhaupt erreichen können.
Vorsicht Suchtgefahr
Wer aber einmal auf der Bühne steht und all die Energie, die er in seinen Text gesteckt hat, mit einem Mal vom Publikum zurückbekommt, der kommt so schnell nicht wieder davon los.